Der Straßen-Güterfernverkehr trägt erheblich zum CO2-Ausstoß im Verkehrssektor bei und ist gleichzeitig dessen am stärksten wachsendes Segment. CO2-Einsparmaßnahmen entfalten vor diesem Hintergrund eine besonders große absolute Wirkung, durch die hohen Fahrleistungen einzelner Fahrzeuge auch bereits bei geringer Durchdringung des Fuhrparks. Zugleich stellen schwere LKW in Anwendungen mit hohen Tagesfahrleistungen die gängigen, alternativen Antriebskonzepte vor große Herausforderungen. Zu diesen zählen eine zeitnahe, technische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit, hohe Energieeffizienz, die Möglichkeit eines flächendeckenden Infrastrukturausbaus ohne erheblichen Ertüchtigungsbedarf am Stromnetz und natürlich möglichst kurze Standzeiten der LKW im zeitkritischen Logistiksektor. Die Batteriewechseltechnologie, bei der an speziellen Wechselstationen entladene Fahrzeugbatterien in kurzer Zeit gegen geladene Batterien ausgetauscht werden, stellt einen interessanten Lösungsansatz dar, der viele dieser Probleme adressiert.
Das Konzept des Batteriewechsels ist nicht neu. Insbesondere im PKW-Bereich wurde die technische Machbarkeit vollautomatischer Batteriewechselsysteme mehrfach demonstriert. Während die dort entwickelten Systeme aufgrund des sehr hohen Batteriegewichtes in schweren Nutzfahrzeugen und anderer räumlicher Positionierung der Batteriemodule nicht direkt übertragbar sind, ist die prinzipielle Realisierbarkeit mit bereits verfügbaren Technologien ein großer Vorteil beispielsweise gegenüber dem Schnelladen mit sehr hohen Ladeleistungen.
Unter den rein elektrische Antriebsmethoden weist das Batteriewechselkonzept eine hohe Gesamteffizienz mit nur sehr geringen Verlusten auf. Dies reduziert bei breiterer Umsetzung den Bedarf an neu zu errichtenden Solar- oder Windkraftwerken. Wie bei anderen batterieelektrischen Alternativen gilt dies insbesondere im Vergleich zu mit erheblichen Wandlungsverlusten einhergehenden Prozessketten wie der Wasserstoff- oder E-Fuel-Produktion und -Nutzung.
Durch das Laden der Wechselbatterien in der Wechselstation, während das Fahrzeug noch unterwegs ist, werden relativ geringe Ladeleitungen notwendig. Dies wirkt sich einerseits positiv auf die Batterielebensdauer aus, andererseits bleiben die Anforderungen einer Wechselstation an die lokale Netzinfrastruktur vergleichsweise gering, was die Wechseltechnologie insbesondere auch für die Elektrifizierung infrastrukturschwacher Gebiete geeignet macht. Allgemein ist der Netzausbau für das Bereitstellen hoher bis sehr hoher Anschlussleistungen nicht nur ein teurer, sondern vor allem ein sehr zeitaufwändiger Prozess, so dass die Batteriewechseltechnologie hier eine besonders zeitnah umsetzbare Möglichkeit für die Elektrifizierung von Routen darstellt. Unter Nutzung der bidirektionalen Ladeinfrastruktur wird es zudem möglich, bei Bedarf Energie aus den gelagerten Batterien zurück ins Netz zu speisen und so zur Netzstabilisierung beizutragen. Hervorzuheben ist hier die gute Planbarkeit derartiger Netzdienstleistungen im Vergleich zur Nutzung der onboard-Batterien von an Ladesäulen stehenden Fahrzeugen. Vor dem Hintergrund des steigenden Anteils erneuerbarer Energien mit ihren schwankenden und schlecht planbaren Produktionszahlen an der Stromerzeugung stellt eine breite Verfügbarkeit von Batteriespeichern in Form von Wechselstationen einen bedeutenden Zusatznutzen dar.
Ein aus Sicht der Endanwender entscheidender Vorteil der Wechseltechnologie sind sehr kurze Standzeiten. Batteriewechsel lassen sich in wenigen Minuten realisieren und können somit zeitlich mit konventionellen Tankstopps konkurrieren. Dies bietet Logistikunternehmen erhebliche Flexibilitäts- und FahrerInnen deutliche Komfortgewinne, da anders als bei Schnelladelösungen Ladepausen nicht zwangsläufig in die gesetzlich vorgeschriebenen Lenkzeitunterbrechungen gelegt werden müssen. Zudem wird durch die kurzen Standzeiten die mit dem Bereitstellen hinreichend vieler Schnellade-Parkplätze verbundene Flächenproblematik entschärft.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht kann der Batteriewechsel interessante Perspektiven bieten. Die Infrastrukturkosten sind, insbesondere im Vergleich zu Lösungsansätzen wie der Oberleitung auf Autobahnen, gering. Wechselstationen werden punktuell errichtet und decken dann, wie konventionelle Tankstellen, ein großes Einzugsgebiet ab. So lassen sich schnell auch größere Liniennetze elektrifizieren. Da zudem Wechselstationen z.B. über die Anzahl der vorrätig gehaltenen Lagerbatterien gut skalierbar sind, sind wirtschaftliche Anwendungsszenarien schon mit einer vergleichsweise geringen Anzahl bedienter LKW und auf regionaler Ebene denkbar. Dies macht das Konzept auch für privatwirtschaftliche Umsetzungen attraktiv und könnte zu einem schnelleren Markthochlauf elektrischer schwerer Nutzfahrzeuge führen.
Selbstverständlich bietet die Technologie auch Risiken. Die Konstruktion eines Wechselroboters, der zu einer hochpräzisen Manipulation der großen und schweren LKW-Batterien in der Lage ist, stellt eine erhebliche Entwicklungsleistung dar. Um das netzdienliche Potenzial der in einer Station gelagerten Batterien sinnvoll nutzen zu können, sind Bedarfs- und Verfügbarkeitsanalysen ebenso wie die Entwicklung einer intelligenten Energiedisposition nötig. Einflussfaktoren auf die Wirtschaftlichkeit eines solchen Systems, wie beispielsweise Fahrzeug- und Batteriekosten, aber auch die Standardisierungsperspektiven von Wechselbatterien müssen daher im eHaul-Projekt analysiert werden.
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